Ein kühner Gedanke, in diesen Zeiten eine zweiwöchige Reise in den Iran zu unternehmen. Was alles man derzeit über Iran lesen und hören kann, beispielsweise vom Auswärtigen Amt: „Für deutsche Staatsangehörige besteht die Gefahr, an der Einreise nach Iran gehindert oder willkürlich festgenommen, verhört und ggf. zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden“ oder „Von nicht notwendigen Reisen nach Iran wird abgeraten. Dies betrifft insbesondere auch touristische Reisen.“ Gleichwohl war ich fest entschlossen, endlich eine Reise in den Nahen Osten zu wagen. Im Iran sind diese Befürchtungen nicht eingetreten und alle Erwartungen wurden weit übertroffen. Wir wohnten immer in den ersten Häusern am Platze mit ausgezeichnetem, aufmerksamem Service und sehr zuvorkommender Begrüßung wie bei langjährigen Freunden.
Meine ersten Erfahrungen in einer Region des Orients, in Ägypten, mit gebildetem Reiseleiter, der uns durch Kairo und bei einer Nilkreuzfahrt begleitetet hat, machte Appetit auf diese uralten Kulturen. Iran, das Land der Perser mit ihrer ebenso tausende Jahre alten Geschichte, ist anders. Immer schon war es mein Wunsch, einmal in die Region des Nahen Ostens und des Orients, vorzugsweise nach Libanon oder auch Israel zu reisen. Das allerdings wäre zurzeit wirklich ein gefährliches Abenteuer. Im Iran ist nichts, aber wirklich Garnichts von Unruhen wie dort zu verspüren; im Gegenteil: Bei der Einreise wurden wir durch gewinkt wie ein Münchner Auto an der Salzburger Grenze.
Das Auffälligste, wenn man den Iran betritt, sind die Konterfeis der Ayatollahs Chomeini und Chamenei. Sie prangen beinah an jedem Haus. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich daran.
Teheran, Isfahan, Kashan, Yazd und schließlich Shiraz. Überwältigend, die Eindrücke in diesen lebhaften Städten, wo sich die Autos behänd kreuz und quer durch die meist nicht gekennzeichneten fünfspurigen Straßen mit Zentimeterabstand schlängeln. Niemals gab es einen Unfall, auch dann nicht, wenn man ihn eigentlich schon kommen sah. Jede Stadt hat ihre eigene Charakteristik. In Shiraz hat man das Gefühl, einer wohlhabenden westlichen Stadt zu begegnen. Gut gekleidete, jugendlich wirkende und schön anzuschauende fröhliche Menschen frönen ihr Treiben. Europäisch anmutende Besucher werden von den einheimischen Interessierten immer wieder auf ihre Herkunft angesprochen. „Oh, Germany!“ Sehnsuchtsvoll verabschieden sie sich. Da wollen sie alle hin. Aber in Wahrheit wollen Sie Freiheit und Demokratie. Sollte das einmal einkehren, wird wohl niemand mehr unbedingt ausreisen. Wer dort geboren und aufgewachsen ist, hat dann wohl keine Sehnsucht mehr nach Europa.
Die Menschen im Iran haben wir mit einer derart herzlichen Willkommensart angetroffen, wie man sie selten in einem fremden Land vorfindet. In jungen Jahren habe ich dieses historische Land eher mit Perser-Teppichen und hervorragenden Ärzten, die in Düsseldorf studierten und nach ihrer Promotion dort sesshaft wurden, in Verbindung gebracht. Aber dort wurde mir eine ganz andere Welt vor Augen geführt. Wir hatten das Glück als kleine Gruppe ( sechs Personen) von unserer Reiseleiterin Shadi Pelikan in die persische Welt einzutauchen. Sie hat uns mit der persischen Geschichte vertraut gemacht und uns die persische Kultur bildhaft vor Augen geführt. Sie hat sich immerzu um jeden einzelnen gekümmert und es war ihr so wichtig, dass sich jeder wohlfühlt. Wir fühlten uns so gut betreut und zuhause, als wären wir im eigenen Land. Ihre Erzählungen während unserer Aufenthalte in Teheran, Kashan, Isfahan, Yazd und Shiraz bleiben nachhaltig in Erinnerung. Es gab so viele Eindrücke, Begegnungen, Bilder und Augenblicke in allen Orten mit ihren Bauwerken und Gärten. Shadi führte uns abends in die besten Restaurants mit Livebands, Sängern und beinah ausgelassener Stimmung; ja, es wurde hin und wieder sogar mit Vorsicht anschaulich getanzt. Auch das ist im Iran nicht erlaubt. Es dürfen ja keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt werden, gleichwohl ähnelte die Stimmung einem bayerischen Bierzelt.
Ja, die großen Gärten, vornehmlich in Yazd und Shiraz, dicht gedrängt strömen die Einheimischen an die Kassen zum Eintritt. Ein buntes Treiben vieler Iraner und bemerkenswert aufgeschlossenen, meist hübschen weiblichen Studenten, die fröhlich, lustig, oft zu viert oderfünft auf uns zukamen um Selfies zu erheischen und sie versammelten sich dann juxend um ihre Smartphones um die „Beute“ zu bewundern. Manchmal übermütig lassen sie den nach hinten gerutschten Hijab einfach fallen und doch neigen sie dazu, ihn brav wieder über den Kopf zu ziehen, wie es das Gesetz vorschreibt. Es besteht kaum Gefahr, weil in diesen aufgeschlossenen Städten mit vielen jungen Menschen kaum noch Tugendwächter, die nach dem korrekten Sitz der Kleidung Ausschau hielten. Neben den vielen bewundernswerten Moscheen und Gärten waren für mich besonders beeindruckend die Windtürme von Yazd, die seit Jahrhunderten für die Kühlung der Häuser sorgen, die hohen Zypressen, die Granatapfelbäume, die Hecken entlang des großen Springbrunnens, der zum 35 Meter hohen Windturm führt, dem höchsten Irans. Der Windturm aus Lehmziegeln, der wie ein gewaltiger achteckiger Schlot heiße Luft nach oben zieht, um kühle von dort hinabströmen zu lassen.
Ebenfalls zur vielfältigen kulturellen Geschichte gehören die unzähligen kilometerlangen Bazarstraßen, durch die uns Shadi begeisternd geführt hat. Dicht gedrängt durch viele Besucher wurschteln sich sogar knatternde Mopeds hindurch, die immer ungestört ihren Weg finden. Die Händler sind bemerkenswert unaufdringlich und bieten nach meiner Wahrnehmung reelle Waren an. Man wird beraten wie in einem Fachgeschäft. Ich habe dort persische Handwerkskunst in Form kleiner in Liebe handbemalter Emaille-Schalen erworben und ich erfreue mich jeden Tag daran, wenn ich sie sehe.
Was bleibt nachhaltig in Erinnerung: Die Gärten, ja die vielen schönen Gärten in den gepflegten, sauberen Städten und natürlich die Moscheen mit ihren Außenanlagen. Jeden Tag bis weit in die Nacht ist sowohl die Joubi-Brücke als auch die Khajoo-Brücke in Isfahan so gut besucht wie der Eiffelturm in Paris. Die einzigartige Beleuchtung dieser Brücken muss man gesehen haben. Ein Erlebnis. Beide Brücken waren fußläufig von unserem Hotel erreichbar.
Erwähnen möchte ich noch, dass die zum Teil mehrere 100 km langen Fahrten über sehr gut ausgebaute Autobahnen führten und wider Erwarten sehr kurzweilig verliefen. Das aber auch, weil Shadi zwischendurch immer wieder interessante Dinge zu erzählen wusste.
Als er erfuhr, dass es im Iran weder Wein noch Bier gibt, meinte mein Arzt: „Das ist ja der Supergau“. Aber so schlimm ist es wirklich nicht, im Gegenteil: Jeden Morgen frisch und guter Dinge in den Bus zu steigen und sich erwartungsvoll auf den Tag zu freuen ist wunderbar. Ja, es war wunderbar!